Die Entdeckung von α-, β- und γ-strahlung
Ende des 19. Jahrhunderts begannen Wissenschaftler, die Eigenschaften von radioaktiven Materialien zu erforschen. Henri Becquerel entdeckte 1896 die natürliche Radioaktivität, als er feststellte, dass Uran Verbindungen eine unsichtbare Strahlung aussenden, die fotografische Platten schwärzen konnte.
Kurz darauf führten Marie und Pierre Curie intensive Studien durch, die zur Entdeckung neuer radioaktiver Elemente wie Radium und Polonium führten. Im Jahr 1899 unterschied Ernest Rutherford erstmals drei Arten von Strahlung, die er als Alpha (α), Beta (β) und Gamma (γ) bezeichnete.
Diese Klassifizierung basiert auf ihrer Durchdringungsfähigkeit und ihrem Verhalten in einem Magnetfeld. Dies war ein Meilenstein in der Physik, der zur Entschlüsselung der Atomstruktur beitrug.
Bedingungen und Mechanismen der Zerfallsarten
Radioaktive Zerfallsarten treten auf, wenn Atomkerne instabil sind. Diese Instabilität entsteht durch ein Ungleichgewicht zwischen Protonen und Neutronen oder durch zu große Kernmassen. Drei wichtige Zerfallsarten sind:
α-Zerfall
Schwere Kerne wie Uran-238 oder Radium-226 geben Alphateilchen (zwei Protonen und zwei Neutronen) ab. Dadurch reduziert sich die Masse des Kerns um 4u und er wird stabiler.
Es gilt:
β-Zerfall
Beim β--Zerfall wandelt sich ein Neutron in ein Proton um und sendet ein Elektron und ein Antineutrino aus. Beim β+-Zerfall wird ein Proton in ein Neutron umgewandelt, wobei ein Positron und ein Neutrino entstehen. Die Massenzahl des Isotops ändert sich bei beiden Zerfällen nicht.
Diese Zerfälle treten auf, wenn das Verhältnis von Protonen zu Neutronen ungünstig ist.
Es gelten:
β+-Zerfall:
β--Zerfall:
γ-Strahlung
γ-Strahlung entsteht, wenn ein angeregter Kern nach einem anderen Zerfall überschüssige Energie abgibt. Sie ist besonders durchdringungsfähig.
Weitere Kernumwandlungsprozesse umfassen den Elektroneneinfang, bei dem ein Kern ein Elektron aus der Hülle einfängt, sowie die Spaltung und Fusion von Atomkernen.
Vertiefte Informationen auf Oberstufenniveau
Beim α-Zerfall wird die Bindungsenergie des Kerns reduziert, da der Verlust eines Alphateilchens eine energetisch günstigere Konfiguration schafft. β-Zerfälle sind durch die schwache Wechselwirkung verursacht und folgen den Gesetzen der Erhaltung von Energie, Impuls und Ladung. Der Elektroneneinfang tritt auf, wenn ein Kern mit einem Protonenüberschuss ein Elektron aus der innersten Schale einfängt, wodurch ein Proton in ein Neutron umgewandelt wird. γ-Strahlung beschreibt den Übergang eines Kerns von einem höheren in einen niedrigeren Energiezustand, ohne dass sich die Kernzusammensetzung ändert.
Vertiefte Informationen zu Kernkräften und Zerfallsprozessen
Die verschiedenen Zerfallsarten sind eng mit den fundamentalen Kräften der Physik verbunden, insbesondere mit der starken und der schwachen Wechselwirkung.
α-Zerfall
Beim α-Zerfall spielt die starke Kernkraft eine zentrale Rolle. Diese Kraft bindet Protonen und Neutronen im Kern zusammen. Dennoch hat sie eine begrenzte Reichweite, was bei großen Kernen wie Uran-238 oder Radium-226 dazu führt, dass die Abstoßung durch die elektrostatische Kraft (Coulomb-Kraft) zwischen den Protonen überwiegt. Um diese Instabilität zu reduzieren, spaltet der Kern ein Alphateilchen (zwei Protonen und zwei Neutronen) ab, da dies eine energetisch günstigere Konfiguration schafft. Das Alphateilchen überwindet die sogenannte Coulomb-Barriere durch den quantenmechanischen Tunneleffekt, da die kinetische Energie im Kerninneren nicht ausreicht, die Barriere direkt zu überwinden.
β-Zerfall
Der β-Zerfall ist ein Prozess der schwachen Wechselwirkung, einer der vier fundamentalen Kräfte. Diese Wechselwirkung wirkt auf Quarks, die Bestandteile von Protonen und Neutronen sind. Beim β--Zerfall wandelt sich ein Down-Quark in ein Up-Quark um, wodurch ein Neutron in ein Proton umgewandelt wird. Gleichzeitig entstehen ein Elektron und ein Antineutrino. Beim β+-Zerfall erfolgt die Umwandlung eines Up-Quarks in ein Down-Quark, was ein Proton in ein Neutron verwandelt. Hierbei werden ein Positron und ein Neutrino emittiert. Die schwache Wechselwirkung ist für ihre geringe Reichweite und geringe Stärke bekannt, wodurch β-Zerfälle vergleichsweise langsame Prozesse sind.
γ-Strahlung
γ-Strahlung resultiert aus der Abgabe überschüssiger Energie, wenn ein Kern nach einem Zerfall in einem angeregten Zustand verbleibt. Diese Energie wird in Form hochenergetischer elektromagnetischer Strahlung emittiert. Da hierbei keine Änderung der Kernzusammensetzung erfolgt, sind weder die starke noch die schwache Wechselwirkung direkt beteiligt. Stattdessen wird die elektromagnetische Wechselwirkung genutzt, um die Energie in Photonen abzustrahlen.
Weitere Prozesse
Neben den genannten Zerfallsarten gibt es weitere Prozesse, die durch die verschiedenen Kernkräfte bedingt sind. Beim Elektroneneinfang interagiert ein Proton im Kern mit einem Hüllenelektron und wird durch die schwache Wechselwirkung in ein Neutron umgewandelt. Kernspaltung und Kernfusion, die zentrale Prozesse in Kernreaktoren und Sternen sind, beruhen auf der starken Kernkraft, da sie entweder die Bindung im Kern überwinden (Spaltung) oder durch sie neue Kerne bilden (Fusion).